83 - Kaxgar, Provinz Xinjiang

Kaxgar, oder auf Deutsch Kaschgar, befindet sich am Rand des Tarimbeckens auf über 1'200 m ü.M. Sie ist eine Oasenstadt westlich der Taklamakan Wüste und gilt kulturhistorisch als sehr bedeutende islamische Stadt in Zentralasien. Ich habe gelesen, dass man hier in der Stadt noch Bauern, mit einem von einem Esel gezogenen Wagen sehen kann. Wir hatten das Glück dies zu sehen und können das bestätigen. Die Bevölkerung ist vorwiegend uigurisch und damit islamisch geprägt (Statistische Daten aus 2'000 zeigen eine Mehrheit der Uiguren). Wenn wir heute durch die Strassen von Kaschgar flanieren würden wir eher sagen, dass die Bevölkerung aus 50% Uiguren und 50% Han-Chinesen zusammengesetzt ist. 

      

Die zentral gelegene Stadt auf der Seidenstrasse, ein wichtiger Knotenpunkt zwischen "Europa", Russland und Asien, hat eine bewegte Geschichte, welche vor mehr als 2'000 Jahren begann. In meinem Reisebericht kann ich nicht alles festhalten, ich belasse es bei einzelnen Epochen, welche ich vor allem aus Informationen des Wikipedia entnehme. Zwischen dem 3. Jahrhundert BC und dem 1. Jahrhundert AD lebten zusammen verbundene Nomadenvölker, die Xiongnu. Da gab es immer wieder Scharmützel mit dem Kaiserreich der Han-Dynastie. Zu Beginn der neuen Zeitrechnung gehörte Kaschgar zum Sasanidenreich, dem zweiten persischen Grossreich im Altertum, das von Schapur I von 240 bis 270 AD regiert wurde. Mitte des sechsten Jahrhunderts zerfiel das Sasanidenreich. In der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends war Kaschgar unter der Herrschaft des ersten Kaganats der Kök-Türken. Ein Kaganat entspricht einem Kaiserreich welches von einem Khaghan regiert wurde. Das West- und Ost-Türk-Kaganat wurde von China während der Tang-Dynastie erobert. Um 650 AD besuchte der Mönch Xianzang die Stadt und sah das fruchtbare Land und viele buddhistische Klöster. 676-678 überfielen die Tibeter die Stadt. Die Tang-Dynastie erlangte die Herrschaft bald wieder. Im Jahr 715 gab es den ersten islamischen Überfall. Kurz darauf eroberten die Uiguren die Stadt. Die Karachaniden, eine türkische Herrscherdynastie, welche kurz vor dem Ende des 1. Jahrtausend zum Islam übertrat, hat die Stadt übernommen. 1220 waren die Mongolen an der Macht. Nach deren Teilung kam Kaschgar zu Dschingis Khans Sohn. Seine Familie herrschte bis zum 17. Jahrhundert. 1758 wurde die Stadt und Region von den Chinesen der Qing-Dynastie (auch Mandschu-Dynastie) erobert und wurde schlussendlich 1884 Teil der Provinz Xinjiang. Es folgten einige Revolten, wobei die bekannteste zwischen 1865 und 1877, die des Jakub Beks war. Er nannte sich "Emir von Kaschgarien". In der Mitte des 19. Jahrhunderts war Kaschgar ein wichtiger Ort der Kolonialmächte England und Russland. Russland eroberte angrenzende Gebiete. Kaschgar blieb jedoch Teil von China. Übrigens, um 1273 besuchte Marco Polo die Stadt, er nannte diese Stadt Cascar. 

Die Altstadt besteht aus zwei Teilen. Wir wohnten einige Tage im westlichen Teil, da hat es die Künstlerstrasse, die Kupferstrasse, Taschenstrasse etc. Ein Tourismusmagnet um das alte Kaschgar erleben zu können. Viele, vor allem Han-Chinesen, kommen hierhin, mieten traditionelle Kleider und lassen sich überall fotografieren. Im anderen Altstadtteil, welcher durch eine grosse Strasse getrennt ist, hat es ebenfalls viele Läden, doch Handwerkskunst ist weniger vertreten. Im Vordergrund ist die "Essstrasse" (um nicht Foodstreet zu schreiben). Da hat es auf einer Strecke von etwa zwei Kilometern Restaurants, Grillstände, Frucht- oder Eisstände und allerlei weitere Speiseangebote. Ich habe mich beim Probieren etwas zurückgehalten. 

Es gibt noch einen ganz alten Stadtteil. Dieser wird von der chinesischen Regierung wieder auf chinesische Art "aus Alt mach Neu" gebaut. Die zerstörten Häuser, wo die ursprünglichen Bewohnerinnen und Bewohner umgesiedelt wurden, werden wieder (mit viel Beton) aufgebaut und ähnlich, als "Original" alter Stadtkern, für den Tourismus gestaltet und begehbar gemacht. Ein Ballenberg, jedoch nicht mit alten Originalhäusern, wie wir das kennen, sondern mit nachgebildeten Gebäuden. 

Um ausserhalb von Kashgar, zum Beispiel zum Karakuli-See, zu reisen benötigt man eine Bewilligung. Für chinesische Bürgerinnen und Bürger gibt es in der Stadt mehrere Polizeibüros, wo diese Bewilligung einfach, schnell und kostenlos bezogen werden kann. Für ausländische Gäste muss man zum Tourist-Informationscenter in der Nähe des Flughafens von Kashgar fahren. Beginnen wir am Anfang, wir gingen zu Fuss zum grossen Polizeiposten. Maria fragte nach der Bewilligung, sie wurde informiert, dass die Computer zur Zeit defekt seien und dass wir zu einen anderen Posten gehen müssen. Dieser Posten war knapp einen Kilometer weiter, er ist so schlecht angeschrieben, dass Maria auf dem Weg mindestens vier Mal Polizisten fragen musste. Es hat so viele Polizisten, meistens auch sehr aufmerksam und nett, da war es einfach vermeintlich ortskundige Personen zu fragen. Einige waren leider nicht so ortskundig wie gedacht, egal. Der endlich gefundene Posten, kaum angeschrieben und in einer Zwischengasse, war gerade geschlossen. Am Morgen öffnet dieser um 10°°Uhr. Punkt 10°°Uhr standen wir am Folgetag vor der Türe, welche nicht ganz geschlossen war. Wir wagten uns, an der Türe zu stossen, sie ging auf. Hinter der Theke sass ein Polizist an seinem Mobile "arbeitend". Weiter war ein Mann in Zivil, welcher Maria informierte, dass die zuständige Person noch nicht da sei. Da es vor Rauch sehr sickig war beschlossen wir, vor der Türe zu warten. Etwa 10 Minuten später kamen drei Damen zur Türe. Ich sage Maria, jetzt vorab, sonst drängen dich diese zurück. Es wäre so gekommen, doch Maria hat Erfahrung und setzte sich durch. Sie litt sich, hinter der Theke zu warten, ich wartete... lange draussen. Es gab zwischendurch ein Polizisten Geläufe, aber nie vom Zuständigen Beamten. Kurz vor 11°° Uhr kam die Erlösung. Etwas nach 11°°Uhr kam Maria mit dem gewünschten Dokument aus dem Posten. Jetzt ging es noch darum, für mich auch eine Genehmigung zu erhalten, da ich hier keine beantragen kann. Jemand sagte uns, dass wir solch Eine am Flughafen erhalten. Dann hiess es, dass es nicht mehr dort sei. Wir sind per Taxi zu einem anderen uns empfohlenen Polizeiposten gegangen. Dort wurde uns mitgeteilt, dass wir diese Genehmigung auf dem Polizeiposten, zirka 300 Meter weiter erhalten. Dort angekommen wurden wir vor der Türe "abgefangen". Der freundliche Polizist erklärte Maria, dass die Genehmigung für Ausländer im Touristenzentrum in der Nähe vom Flughafen bezogen werden kann. Er war so freundlich, dass er uns an die Strasse begleitete und ein Taxi stoppte. Er fragte den Taxifahrer, ob er die vom Polizisten angegebene Adresse kenne. Dieser verneinte, also liess er ihn weiterfahren. Das zweite Taxi wurde angehalten, wieder die Frage an den Taxifahrer, ob er die Adresse kenne. Dieser bejahte und sagte, dass er erst gestern mit Kunden dort gewesen sei. Wir konnten einsteigen. Am Ziel angekommen war der Schalter besetzt und keine Menschen davor. Wir wurden sofort bedient. Nach vielen Fragen, wo die Schweiz sei und was ich hier möchte bis hin zur Telefonnummer, die Maria angeben musste, erhielten wir die Bewilligung, auch kostenlos. Maria musste noch kurz auf die Toilette, die Beamten begannen das Licht zu löschen, es war kurz nach 13:30, die Schalter werden über Mittag geschlossen. Wenn wir 10 Minuten später angekommen wären, hätten wir bis 16°°Uhr warten müssen. Glücklich vom Erfolg sind wir zurück in die Stadt gefahren. Jetzt galt es, unsere Ausflüge definitiv zu planen. Übrigens, Chinesinnen und Chinesen aus Hongkong dürfen ihre Bewilligung wie Ausländer beim Tourist-Informationscenter beantragen und nicht dort, wo Maria ihre Bewilligung erhielt. 

               Bild links: Die mit Schweiss erkämpfte Bewilligung, dass wir zum Karakulisee reisen konnten. 

Vor der Ankunft in Kaschgar buchte ich ein Hotel nahe der Altstadt. Aus Prinzip buche ich immer nur eine Nacht. Es könnte sein, dass wir aus unerwarteten Gründen nicht ankommen und so wäre der Verlust der Hotelkosten nicht allzu hoch. Im Hotel angekommen fragten wir, ob wir zwei Nächte verlängern könnten. Wir erhielten die Antwort, dass wir am anderen Vormittag nachfragen sollen. Das war uns etwas unsicher. Wir besuchten die Altstadt und sahen, dass man dort auch Zimmer buchen kann. Wir besichtigten eines in der Künstlergasse und waren begeistert. Nicht vom Zimmer mit Bad als Solchem, sondern von der Ambiance mitten in der Altstadt. Da die Dusche, das WC und Lavabo in einem kleinen Raum waren entschieden wir uns, nur für zwei Nächte dort zu logieren. Somit konnten wir auf eine morgendliche Dusche gut verzichten. Anschliessend buchten wir wieder im Hotel, wo wir schon einmal übernachtet haben. Da wir eine zusätzliche Woche in Kaschgar verbrachten, übernachteten wir noch einmal eine Nacht in der Altstadt im selben privaten Zimmer mit Bad. Nachfolgende Fotos aus dem Leben der Altstadt Kaschgar. Einen Aufenthalt, den wir nie vergessen werden. Die Ambiance erinnerte uns ein bisschen an Murten.


Bild rechts: Wenn man Frauen fotografierte schauten sie immer rasch von der Kamera weg. 


Im Vorfeld habe ich mich über Kaschgar etwas informiert, was nicht einfach war. Doch ich fand heraus, dass an jedem Sonntag ein traditioneller Viehmarkt stattfindet. Da hatte ich Lust, dies zu erleben, auch in Erinnerung an den Viehmarkt in Murten, den ich als Bub in bester Erinnerung habe. Wir, respektive Maria, fragten viele Menschen, wo dieser sei, doch kaum jemand konnte uns Auskunft geben. Endlich war eine Taxifahrerin, die uns mitteilte, dass sie den Ort genau kenne. Wir sind sofort eingestiegen und sie führte uns punktgenau an diesen Markt, der gut 10 Minuten von der Stadt entfernt ist. Zu Beginn des Viehmarkts wurden auch Gemüse und Früchte angeboten. Es hatte Metzger und Essstände, nebst einigen Kleider-, Lederwaren- und Schuhständen. Wir waren überwältigt, die Menge an Grossvieh, welches mit verschiedensten Fahrzeugen antransportiert wurde, überstieg unsere Vorstellung. Auf die tierfreundliche Behandlung der Lebewesen will ich nicht eingehen. Maria war es nicht so wohl in dieser Menge von Tieren, Bauern und Händlern. Ich liess es mir hingegen nicht nehmen, mich durch die Menge zu kämpfen, um einige Fotos zu schiessen. Nach dem Bad in der Masse gingen wir zurück auf dem Marktplatz. Da wurde gegessen, gefeiert und getanzt. Hier packte es Maria, die unter die Leute gehen wollte und sie genoss den Moment auf der Tanzfläche. 



Die Id Kah Moschee, auch Haytgah-Moschee genannt, ist im Xinjiang die grösste und eine der einflussreichsten Moscheen in Zentralasien. Sie wurde 1442 im islamischen Stil nach entsprechenden religiösen Eigenschaften gebaut. Nach dem Eingang kommt man in den grossen Innenhof. Bald steht man vor der Gebetshalle. Auf zwei Seiten hat es etliche Hallen für den Islamunterricht. Sie hat Platz um bis zu 20'000 Gläubige zum Freitagsgebet aufnehmen zu können. Die Zahl der Gläubigen ist heute auf unter 1'000 gesunken. Nach dem heutigen Imam ist der Rückgang auf einen natürlichen Wertewandel und nicht auf die Politik der chinesischen Regierung zurückzuführen. 


Die Grabstätte von Abakh Khoja, dem machtvollen Führer, welcher auch als Prophet unter Mohammed gefeiert wurde, ist riesig und eindrücklich. In der Grabstätte, die aus dem Jahr 1640 stammt, ruhen über 70 Familienmitglieder aus fünf Generationen. Xiang Fei, die duftende Konkubine, welche vom Qianlong-Kaiser der Qing-Dynastie im 18. Jahrhundert als Gemahlin genommen wurde, ist sehr bekannt und ruht auch hier. Es gibt verschiedene Legenden über sie, wobei eine davon möglicherweise der Tatsache entspricht. Auf demselben Gelände ist ein Gebäude, wo täglich Aufführungen dieser Geschichte zu bestaunen sind. 


Mit unserer Bewilligung konnten wir den Karakuli-See besuchen. Wir haben mit einer Reisegruppe an einem Tagesausflug teilgenommen. Die Hinfahrt mit dem Bus dauerte etwas mehr als drei Stunden. Beim Eingang in das karge, übersichtliche Tal, gab es eine strenge Personenkontrolle. Die chinesischen Bürgerinnen und Bürger wurden im Bus kontrolliert. Die Reisenden aus Hongkong und der Reisende aus der Schweiz wurden in einem Annexgebäude genauer kontrolliert. Nach einer Viertelstunde konnten wir durch das Tal an Gletschern, Tälern und Flussbetten vorbei weiterfahren. Wir gelangten zum ersten See auf über 3'000 m ü.M., wo der Wüstensand bis zum Ufer kommt. Nach einem stündigen Halt ging es dann weiter zum Karakulisee (zwischendurch lasen wir auch "Kalakulisee", wohl, weil der "r" für Chinesen nicht so einfach auszusprechen ist). Dieser liegt auf 3'600 m ü.M., wir kamen aus dem Staunen kaum mehr heraus. Sehr eindrücklich die Luft, die Höhe und die Berge im Hintergrund, welche über 7'500 Meter hoch sind. Der wohl eindrücklichste Berg beim See im Pamirgebirge ist der Muztagata. Der Name kommt aus dem Uigurischen und bedeutet "Vater der Eisberge". 




Das Museum in Kashgar ist riesig. Die seit Jahrtausenden multiethnische Region und das Zusammenleben von Buddhisten, Taoisten, Islamisten und Christen wird mit eindrücklichen Figuren präsentiert. 

 
Figur und Vase: 386 - 581 AD.

Zum Schluss haben wir den TV-Turm in Kaschgar besucht und genossen den Rundblick über die Stadt und über das Land. Als Rentner durften wir kostenlos hinauffahren. Da beim ersten Mal das Wetter nicht optimal war sind wir ein zweites Mal bei gutem Wetter auf der Plattform gewesen. Wenn man Zeit hat wie wir es haben lohnt sich ein längerer Aufenthalt in dieser historischen Stadt. Für uns bleibt diese Zeit unvergesslich. 


Eine wunderschöne moderne Ausstellungshalle (Foto unten links), welche vermutlich nie ganz fertig gebaut wurde, befindet sich ganz in der Nähe der Altstadt in einem Park mit einem künstlichen See. Die Türen sind abgeschlossen, innen ist eine zerfallene Ausstellung. Die Räume werden eher als Lokal für Putzgeräte- und -mittel genutzt. 





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