Lille - Bourges - Calais, Normandie

Am 1. September haben wir Ostfriesland verlassen. Wir fuhren ohne Halt durch die Niederlande und Belgien. Die Normandie ist die nächste Region, welche wir entdecken werden. Den ersten Halt machten wir in Lille, Französisch Flandern. Wir erlebten einen frappanten, spannenden Kulturwechsel. Was uns besonders aufgefallen ist, war der Beffori oder auf Deutsch der Glockenturm, die man in ganz Flandern überall antrifft. Es gibt 22 Beffrois, welche zum UNESCO Weltkulturerbe zählen. Auf die Bedeutung dieser "Wehrtürme" gehe ich später darauf ein. 


Lille, eine Grossstadt mit einem Hauch von Paris an der Grenze zu Belgien. In der Altstadt sind viele Bürgerhäuser aus dem 17. Jahrhundert gut erhalten. Gepflasterte Gassen und eindrückliche Gebäude sind zu bestaunen. In der Stadt fühlt man eine angenehme Ambiance. Wie wir vernommen haben, ist es eine Stadt die feiern kann. An diesem Wochenende wurde die Braderie gefeiert. Da kommen anscheinend gegen 2 Mio Besucher aus der ganzen Welt. Kein Wunder, dass die Hotelpreise nach unserem Aufenthalt angehoben wurden. Bei unserem Rundgang durch die Stadt hatten wir das Glück, als letzte Besucher mit dem Fahrstuhl auf den Beffroi zu gehen. Eine tolle Rundsicht erwartete uns mit vielen Erklärungen über spannende Gebäude der Stadt. 




Ein kleiner Zwischenhalt in Armentières, eine weitere typische Stadt mit Beffroi. 



Bergues - oder "Bienvenue chez les Ch'tis" hat uns sehr gefallen. Eine Kleinstadt wie Murten, umringt mit einer Festungsanlage von Vauban. Es ist unglaublich, was dieser Mensch während 56 Dienstjahren alles für Festungsanlagen in ganz Frankreich geplant und realisiert hat. Er erhielt schon zu Lebzeiten den Ehrentitel "Ingénieur de France". Die vielseitige Altstadt gefiel uns ausserordentlich. Das Hotelzimmer war in einem alten Gebäude, die Zimmer wurden grosszügig modernisiert, doch der Fussboden ist immer noch Original aus Holzbrettern. So richtig heimelig. Wir wollten in einem feinen Restaurant einen gemütlichen Abend erleben, doch ...alles complet. Schlussendlich fanden wir eine Pizza "take-away" und verpflegten uns im Zimmer. 




Auf der Weiterreise nach Calais machten wir einen Halt in Dunkerque (Dünkirchen). Eine grosse Hafenstadt mit einigen architektonischen Highlights. Wie es sich in der Normandie gehört, sind wir auch auf diesen Beffroi gestiegen (...hier auch mit Lift :-)



In Calais fanden wir eine Wohnung die uns passte. Angenehmes Wohnzimmer, Schlafzimmer und eine gut ausgestattete und geräumige Küche. Die Stadt und Region sind vielversprechend, sodass wir uns gerne und gut 14 Tage aufhielten. Maria hat gelesen, dass am Sonntag vor unserer Abreise ein Strandfest angesagt sei. So haben wir den Aufenthalt noch um zwei weitere Tage verlängert. Betreffend dem Strandfest habe ich mich informiert und fand, dass dieses in der Nachbargemeinde stattfand. Zwei Zusatztage waren gebucht und ... welch glücklicher Moment. An diesem Wochenende fanden in Calais die europäischen Tage des Denkmals statt. So plante ich möglichst viele Sehenswürdigkeiten an den beiden Tagen besichtigen zu können. Wir profitierten von einer Führung auf den Beffroi (schon wieder mit Lift), besuchten das Kunstmuseum, welches Werke von Rodin (1840-1917) beherbergt, schlenderten durch das Museum "La Cité de la dentelle et de la mode", bestaunten die Notre-Dame mit Garten und einige Befestigungsanlagen.

In Calais gibt es seit einigen Jahren den bekannten Drachen, welcher als Touristenattraktion an der Uferpromenade seine Runden dreht. Zum Drachen ist man gekommen, da es auf der Spitze des Beffrois eine goldene Windfahne mit einem Drachen gibt. 

     Besichtigung der legendären Belem (1896) am europäischen Tag des Denkmals. 


F. Rodin, ein weltbekannter Bildhauer und Zeichner, der das Zeitalter der modernen Plastik mit eingeläutet hat. 1884 bat der Bürgermeister von Calais Rodin, eine Skulptur zu schaffen, um an den hundertjährigen Krieg zu erinnern. Da ging es um sechs Helden, welche die Stadt vor dem Hungertod bewahrten. Rodin arbeitete 11 Jahre an diesem Werk, welches nun vor dem Rathaus in Calais steht. Das Kunstwerk nennt sich "Die Bürger von Calais".

Der Beffroi von Calais, der Belfried, Wächter der Stadt. Wie erwähnt will ich über die Beffrois, Wehrtürme, Wachtürme, Rathaustürme, Glockentürme oder wie auch immer sie genannt werden, berichten. In Calais an der Führung wurde uns viel Spannendes über diese Türme erzählt. Zur Funktion der Beffrois. Flandern ist eine sehr flache Region. Es gibt keine Berge und nur kleinere Hügelbereiche, welche kaum über 100m hoch sind. So liegt es nahe, dass man in Stadtzentren einen hohen Turm baute. Dieser diente als Glockenturm, Symbol der Freiheit, Zentrum und der Sicherheit. Auf dem Turm war früher der Türmer, welcher die anspruchsvolle Funktion ausübte um Feinde zu erspähen, Stadtbrände zu orten oder auch zum Ausrufen wichtiger Mitteilungen diente. In Calais hat es heute zwei Beffrois. Der Grund dazu, zwei Gemeinden wurden zusammengeschlossen. Der Erste (siehe Bild links) wurde im zweiten Weltkrieg zerstört und steht heute als Mahnmal. Da dieser Beffroi nahe am Meer steht, diente er seinerzeit auch als Leuchtturm. In der Nähe steht auf dem Marktplatz eine Büste von De Gaulle und seiner Frau, welche in Calais geboren war. Der Zweite und heute genutzte Turm ist in der Stadtmitte, neben dem Rathaus. In der Regel ist der Beffroi ein freistehender Turm. In Calais wurde der Turm auf eine gelungene Art mit dem Rathaus verbunden. 

Calais hat uns besonders gefallen. Wir wohnten in der Stadtmitte, ich konnte jeden Morgen ein frisches Baguette beim Bäcker kaufen und wir waren ganz nahe am Strand. Von Calais aus konnten wir auch einige schöne Ausflüge machen, wie zum Beispiel Boulogne-sur-Mer, zum Cap Blanc-Nez und Cap Gris-Nez. 


Gravelines ist ein kleiner touristischer Ort am Ufer der Aa mit einer sehr gut erhaltenen Stadtbefestigung teils aus dem 17. Jahrhundert. Einmal mehr ist Vauban der Baumeister. Bei der Wanderung um die Stadt hat es einige sehr schöne Blumengärten und den Jardin de la Liberté. Was uns schockiert hat sind all die Hunde-Visitenkarten auf den Wegen und vor allem im Gras. So etwas schlimmes haben wir lange nicht mehr gesehen, das ist ehr schade und nimmt einem die Freude.



Boulogne-sur-Mer, eine ausserordentlich spannende Stadt mit viel Geschichte. Die Handschrift von Vauban ist auch hier ersichtlich. Er hat die alte Stadt entsprechend modernisiert. Das Schloss, Chateau d'Aumont wurde mehrfach umgebaut und der Zeit angepasst. Bei der Ansicht vom Stadttor fühlt man, dass auch die Römer vor Ort waren. Der Belfried hinter dem Rathaus ist markant. Ein musikalischer Blumengarten wurde mit viel Gefühl für die Saison 2022 angebaut. 



Etwas gewaltiges ist die Krypta in der Notre Dame de l'Immaculée-Conception aus der gallorömischen Zeit. Das ist wohl einmalig, die Dimension, die Wandmalereien, die Raumaufteilung bis hin zum sinnlichen Altar. 


Am Strand der Stadt fand gerade ein Wettbewerb mit Zweispänner statt. Ein Team aus der Schweiz nahm auch daran teil. Zwei Zugpferde ziehen eine Art Schlitten. Bei vier Stationen steigen jeweils eine bestimmte Anzahl Menschen auf. Die Pferde ziehen das Gefährt ruhig voran und am Schluss geben sie alles was sie können. Diese Meisterschaft nennt sich "La Route du Poisson" und erinnert an die Fischhändler, welche früher Fische und Meeresfrüchte mit Gespannen bis nach Paris lieferten. 


Cap Blanc-Nez und Cap Gris-Nez, einfach eine eindrückliche Naturlandschaft. 

                    Im Hintergrund die Küste von Dover



*    *    *

PS.: Zum Thema Krieg, wir besuchen sehr wenig Kriegsdenkmäler aus der Zeit des ersten und zweiten Weltkriegs. Diese sind sowieso allgegenwärtig und machen einem traurig, wenn man sieht, was Putin in der Ukraine anrichtet. Soeben habe ich gelesen, dass Kyrill, der den Krieg in der Ukraine rechtfertigt, dem Volk mitteilt, dass uns, "damit meine er die Soldaten", die im Ukrainekrieg fallen, all ihre Sünden vergeben sind, da sie die militärische Pflicht für das Vaterland erfüllt haben. Mit Verlaub, so ein Stumpfsinn. 

Ich hoffe es bald erleben zu dürfen, dass Putin in gestreiften Anzug mit Kette und Kugel am Fuss mit Kyrill an seiner Seite Richtung Sibirien marschieren. Putin wird auf Kyrill bestimmt wütend sein, währenddem dieser bestimmt sagen wird, dass sie ihre Sünden in Sibirien einfrieren und so letzte Ruhe finden werden. Die andere Variante wäre im Krieg zu fallen. Dann würden sie beide ja auch von ihren Sünden befreit!


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