96b – Spaziergänge und Begegnungen wie diese liebe ich

Am Rand des Dorfes Shangguanzhen haben wir ein ganz neues Hotel gefunden, welches einer Familie gehört, welche es betreibt. Das Zimmer war perfekt, angenehmes Bett, gepflegte Nasszelle mit einer guten Dusche und einem riesigen Fenster mit direktem Blick über den Erhaisee. Das Frühstück wurde von der Hoteliersfrau persönlich zubereitet und war – für chinesische Gäste – hervorragend. Uns passte die Unterkunft, die Lage und auch der Preis, sodass wir gleich vier Nächte logierten. Ein einziger Nachteil war der Verkehr vor der Liegenschaft. Das Hotel liegt an einer Hauptstrasse wo auch viele Lastwagen fahren. Nahe der Liegenschaft ist eine Ampel. Auf der Strasse herrschen andere Regeln. Da wird gehupt und es kommt vor, dass auf der ganzen Strasse alle Autos in dieselbe Richtung einspuren. Manchmal herrschte für einen Moment ein richtiges Chaos mit «Gehup» und Lärm, das uns interessanterweise nicht besonders störte.



Von hier aus machten wir nur einen längeren Ausflug, an den anderen Tagen erkundeten wir die nahe Umgebung. Wir spazierten dem See entlang durch Feuchtgebiete, welche immer wieder mit angenehmen Wanderstegen über die Teiche ergänzt sind und bestaunten die Natur mit all den verschiedenen Pflanzen, Tieren, Insekten und Blumen. Es waren erholsame Tage.


Einige Bilder aus dem Feuchtgebiet am Ufer des Erhaisees.


Am ersten Tag gingen wir wieder einmal einfach der Nase nach. Wir wollten dem See entlang gehen und kamen plötzlich zu einer kleinen Seiteneingangsstrasse welche in das Dorf führt. Also entschieden wir uns, in das Dorf hineinzugehen. Die verschlungenen Gassen durch die schönen Häuser der Bai-Bevölkerung faszinierten uns. Plötzlich sah ich von weitem eine Treppe, welche auf einen Hügel führte. Wir spazierten in Richtung der Treppe, konnten den Zugang jedoch nicht finden. Wir haben Dorfbewohner angesprochen und fanden schlussendlich den Treppenbeginn. Die Treppe ist nicht so gepflegt, da sich wohl kaum Touristen auf diesen Weg verirren. Oben angekommen war ein noch ungepflegter Platz. Wir wurden jedoch mit einer schönen Sicht über den Erhaisee und das Dorf belohnt. Wir gingen wieder in das Dorf zurück und sahen bei einem Haus einen speziell hergerichteten Baumstamm. Wir klopften bei einem Hof an die Tür und eine junge Dame begrüsste uns. Wir fragten nach dem Sinn dieses besonderen Holzstamms. Sie erklärte uns, dass die Bai-Bevölkerung einmal im Jahr (am 24. Tag des sechsten Mondmonats) während drei Tagen ihr Fackelfest feiert. Nebst den Bai feiern auch die Yi, Naxi und Lisu Minderheiten in China dieses Fest mit jeweils leicht unterschiedlicher, doch mit sehr ähnlichem Ursprung. Hier werden diese grossen Baumstämme von Männern auf den Hügel getragen. Anschliessend werden die sie angezündet. Es gibt für Kinder auch «Minibaumstämme». Um das Feuer wird getanzt und gefeiert. Die Tradition steht zum Beispiel wohl nahe zum «Sechseläuten» in Zürich mit dem Verbrennen des Böögs. Bei den Bai ist der Ursprung während der Tang Dynastie (617 – 907) zu finden. Der General Guo Shizhong tötete einen Führer des Volkes Bai um seine Frau A’nan heiraten zu können. Vor der Hochzeit verlangte die Frau, die Seele ihres toten Mannes zu ehren. Bei diesem Ritual nahm A’nan eine Fackel in die Hand und zündete die Festhalle an. Diese brannte lichterloh und sie stürzte sich in die Flammen. 




Wir zogen weiter durch das Dorf, grüssten hier und nickten dort, sprachen kurz mit Einheimischen, die uns immer freundlich gesinnt waren. Plötzlich kamen wir bei einem Hof vorbei wo ein wunderschöner Birnenbaum mit unzähligen grossen Birnen stand. Ich fotografierte den Baum und sah, dass die Besitzer des Hofes anwesend waren. Wir kamen in das Gespräch. Der Mann kochte etwas, die Frau zeigte uns den Birnenbaum mit der Bemerkung, dass die Birnen leider noch nicht reif seien. Daneben war ein Stall mit zwei Kühen. Diese frassen das frische Gras vor ihrem Stall und wurden mit einigen heruntergefallenen Birnen verwöhnt. Nach einem längeren Gespräch bemerkte der Mann, dass wir mit ihnen zu Abend essen können. Sie würden uns einladen. Ich habe das Gespräch nur ein bisschen verfolgen können, da ich die Sprache nicht beherrsche. Zum Glück hat sich Maria für die Einladung herzlich bedankt, doch mitgeteilt, dass wir schon etwas arrangiert hätten. Das Essen roch zwar gut, aber ich hätte wohl nicht sehr viel gekostet. Zu meinem Leidwesen muss ich gestehen, dass ich in Mundart ausgedrückt halt ein «Schweizerbauer» bin. Was ich nicht kenne esse ich nicht. Einerseits schade, andererseits, ich hatte (und es bleibt hoffentlich so) nie die geringsten Magenprobleme, auch wenn ich während unserer langen Reise in Asien keinen Schluck Whisky vor dem Schlafengehen trinke, was ich üblicherweise während zwei-drei-wöchigen Ferien im Ausland gerne gemacht habe, natürlich, da ich Whisky gerne mag. Die Frau verabschiedete sich und ging zum Hof ihres Sohnes, der etwa 100 Meter neben ihrem Hof steht. Sie werden zusammen Abend essen.

 


Ein für uns herrlicher und unvergesslicher Tag, wo wir den Kontakt mit lokalen Menschen pflegen durften.


Vor dem Hotel ist täglich ein Auto vorgefahren, der Fahrer hat einige Schirme, Tische und Stühle am Strassenrand platziert und den Kofferraumdeckel offengelassen. Den ganzen Tag sass er auf einem Stuhl und verkaufte Kaffee und weitere Getränke. Ob man davon leben kann?

 


Am Abreisetag war im Uferbereich eine Frau die mit einer Sichel Gras für ihre Kühe schnitt. Kurz darauf kam ihr Mann und half ihr beim Aufladen des Grasguts. Uns scheint es, dass hier noch eine heile Welt herrscht. Einfach und schön. 

Mit der Sichel schneiden, Grasbündel binden, aufladen und ab zum Hof. 

Das Schnittgut wird nebst "Tuk-Tuk" auch mit Velo & Anhänger oder zu Fuss nach Hause in den Hof gebracht.     Die zwei Bilder rechts; Leben im Dorf an der und Heimkommen einer Sängerinnengruppe in traditioneller Kleidung. Viele Einheimische, vor allem Frauen, tragen noch ihre traditionelle Kleidung. 


Das folgende kurze Erlebnis passt zu diesem Text, da es am Tag darauf im selben Dorf geschah. Wir sassen in einem lokalen Restaurant und bestellten ein Reis-Pilzgericht. Dazu erfreute ich mich an einem kühlen Dali-Premium-Bier. Plötzlich kamen zwei Männer vor dem Restaurant vorbei, der eine ging weiter, der andere kam ins Restaurant. Wohl der Besitzer oder zumindest ein Bewohner in der Liegenschaft. Der Mann vor dem Restaurant kehrte um und kam direkt auf uns zu. Er rief seinem Kollegen zu und sagte, «diese Leute haben mich kürzlich freundlich gegrüsst», er lachte und klopfte mir auf die Schulter. Dann zog er von dannen. Wir stellten immer wieder fest, die Einheimischen hier um den Erhaisee sind ausserordentlich nett und scheinen fröhlich zu sein. Sie sind weit weg von Beijing und haben sich wohl an die Überwachung gewohnt.


Am Ufer vor dem Hotel am Erhaisee und eine kleine Pause im Dorf. 

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