96 - Yunnan III, Dali und der Erhaisee

Die Provinz Yunnan steckt voller Überraschungen, etliches konnte ich in den zwei vorhergehenden Reiseberichten bereits aufzeigen. Die Vielseitigkeit ist, nebst der Grösse (beinahe 20 x so gross wie die Schweiz) bestimmt der geographischen Lage, von subtropischen bis zu gebirgigen Regionen und der ursprünglich verschiedenen Kulturen der jeweiligen König- und Fürstenreiche heutiger Minderheiten, zu verdanken. Über die Stadt Dali am Erhaisee habe ich vor vielen Jahren einmal eine Reportage gesehen. Es erschien mir als eine Insel der Freiheit in China. Der Bericht faszinierte mich und gab mir das Gefühl, dass hier, in einer historischen Gegend, eine Hippie-Kultur gelebt wird, respektive wurde. Ganz kurz zusammengefasst und nach meiner Vorstellung sind das Menschen, man könnte sie Aussteiger nennen, die eine autoritäre Gesellschaft ablehnen, ohne Klassenunterschiede, Leistungsdruck, Unterdrückung und Überwachung die Freiheit und den Frieden leben möchten. Die Frage bleibt mir unbeantwortet, war das in China überhaupt möglich?. Auf jeden Fall freute ich mich besonders, diese Stadt zu entdecken.


Nachdem wir in der historischen Stadt Dali ankamen und eine Unterkunft mitten in der Stadt bezogen hatten, gingen wir durch die Gassen. Was wir gesehen haben traf doch ein bisschen zu meinen Vorstellungen. Nebst den Life-Musik-Restaurants wie in Lijiang, sah man ab und zu noch einen Strassenmusikanten mit der Gitarre in der Hand. Einzelne kleine Gruppen, wo Menschen zusammensitzen und über irgend etwas diskutieren, eben so wie ich es mir vorgestellt habe. Auf der Strasse tummeln sich viele Wahrsager, Kartenleser oder Handleser bis hin zu "Händlern" die Spiele anbieten, wo man gegen denselben spielen kann. Nebst den Massentourismusgeschäften mit dem immer gleichen Warenangebot, hat es doch auch viele Kleinsthändler, die teils persönlich kreierte Kleinigkeiten anbieten. Doch stellte ich fest, Dali ist heute eine Stadt wie viele andere in China auch. Kommunistische Modernisierung, die nach Xi's Vorstellung, respektive sein Ziel verfolgend, den Traum des chinesischen Volkes widerspiegeln. Vor allem der Altstadtkern wird touristisch gefördert. Einen Schritt von der Altstadt entfernt beginnt dann wieder das alltägliche China.

 



Nun aber zu unserer Reise um den Erhaisee. Die Altstadt von Dali mit seiner 1’200-jährigen Geschichte haben wir buchstäblich erlebt. Die Tage in Dali, der Hauptstadt des Königreichs Nanzhao am See, haben uns schon ab und zu in Heimwehstimmung gebracht. Es gab einige Augenblicke, wo uns Murten ganz nahe war. Am Rand der Stadt stehen die drei Pagoden des Chongsheng-Tempels. Das Wahrzeichen der Stadt. 

Bild links: Ein Wahrzeichen der Stadt Dali. Bild rechts: Vom Tempelberg über den See, wo nachvollziehbar Heimatgefühle aufkamen 😊.


Nach einem erholsamen und gemütlichen viertägigen Aufenthalt sind wir mit einem Taxi gut 20 km weiter nach Xizhou gefahren. Diese Altstadt beeindruckt ebenso sehr, auch wenn sie im Schatten von Dali steht. Sie beherbergt viele typische und gut erhaltene Bai-Gebäude. 

Nachfolgende Bilder: Stimmung in der Altstadt morgens früh und gleichzeitig am Markt

Die Residenz der Familie Yan ist heute ein Museum. Das gut erhaltene Anwesen wurde einst von der wohlhabenden Familie Yan, welche mit Teeproduktion und Handel zu Reichtum gekommen war, bewohnt. Die vier Gebäudeteile sind geschickt miteinander verbunden. Beim hintersten Gebäude sieht man den europäischen Einfluss der 1920-iger Jahre sehr gut.

 

Am Stadtrand sind grossflächige Reisfelder zu bestaunen. Als Touristenattraktion fährt ein kleiner Zug um die Felder herum. Ein besonderes, abgerundetes Eckhaus gilt auch als Wahrzeichen der Stadt. Das Home-Inn, in welchem wir zwei Nächte verbrachten, passte uns und es erinnerte mich an meine Jugendzeit. Das habe ich im Bericht 94a festgehalten.

 

Links: Träumerei der Jugendzeit. Mitte: Pfeifenraucher. Rechts: Tanz in Trachten der Bai-Ethnien. 

Wir sind weiter entlang des Erhaisees gefahren und haben ein neu erstelltes Hotel in Familienbesitz in Shangguanzhen gefunden. Es ist direkt am Ufer des Sees, leider mit einer Hauptverkehrsstrasse an einer Kreuzung unterbrochen. Die Strasse wird stark befahren und die Automobilisten in China hupen viel zu viel. Es sind zwei Spuren, doch manchmal sind drei Autos nebeneinander in derselben Fahrtrichtung, der Gegenverkehr muss warten, bis sich der «Knopf» gelöst hat. Es ist schon fast lustig, diesem Verkehr zuzuschauen. Das Zimmer war modern und gut eingerichtet und es versteht sich, mit Blick auf den See. Das Frühstück konnten wir im Garten geniessen. Es passte uns so sehr, dass wir unseren Aufenthalt wieder einmal um einige Tage verlängerten. 


Vor dem Hotel wurde Gras mit der Sichel geschnitten und aufgeladen. Ein fröhliches Nihao zur Männerrunde. 

Wir gingen einmal mehr einfach der Nase nach durch den kleinen Ort. Da sahen wir einen speziell bearbeiteten Holzstamm. Dieser ist bereit für das jährliche Fackelfest der Minderheit der Volksgruppe Bai. Etwas später sahen wir in einem Hof einen wunderschönen Birnenbaum. Wir sind in ein Gespräch mit den Besitzer-Ehepaar gekommen. Solche Gespräche sind Erlebnisse die ich liebe. Diesen Moment habe ich in meinem Bericht 94b detaillierter festgehalten.

 

Wir machten einige gemütliche Wanderungen vom Hotel her dem See entlang. Hier ist keine Masse von Touristen, die Lärm und Abfall produziert. Es ist schlicht die Natur, die Schönheit und die Einfachheit die man bewundern kann.

Auf der anderen Seite des Sees ist der touristische Ort Shuanglangzhen. Hier steckten wir mitten in der Touristenmasse. Der Ort ist schön, doch die Masse an Touristen passte uns nicht so sehr. All die verschiedenen Fahrzeuge, die hupend durch die Menschenmassen «rasen» ist für uns schon eher erschreckend. Hier ist es selbstverständlich, wenn Autos oder Motorroller manchmal recht laut hupend hinter den Menschen herfahren, damit sie dann zwischendurch zischen, um schneller ans Ziel zu kommen. Die Menschen hier stört das nicht und machen einfach Platz, sie sind sich daran gewohnt.

 Bild oben und unten in der Mitte: Manchmal muss man sich informieren, oder man lässt sich informieren. 


Nach einigen Tagen Ruhe und Erholung fuhren wir mit dem Ortsbus nach Dali, der Neustadt. Der Preis für die Fahrt war 11 CNY pro Person (Strecke etwa 50 Km, Preis in CHF 1.30 p/P). Der junge Hotelier fuhr uns zur Busstation. Dort angekommen warteten wir eine gute halbe Stunde bis wir einsteigen konnten. Auf der Fahrt hielt der Bus einige Male an um ein kleines Paket abzugeben oder entgegen zu nehmen oder jemanden zusteigen oder aussteigen zu lassen. Der Busfahrer wird wohl jeweils per Mobile informiert, wo genau der Passagier wartet. Die entsprechende Person steht dann rechtzeitig am Strassenrand und kann schnell einsteigen. Für ein Paket, ob es abzugeben oder zu empfangen ist, läuft es gleich. Zeitverlust ist quasi gleich Null.

Dali, die Neustadt ist nichts Besonderes. Eine Grossstadt wie viele in China. Da gibt es den Erhaipark. Eine grosse Parkanlage auf dem Hügel zwischen der Stadt und dem See. Eher ungepflegt und vor allem schlecht markiert. Oben auf dem Hügel hat es ein grosses Affengehege. Da kann man einigen Affen zuschauen, die auf einem Gelände leben, welches nicht ganz Artengerecht zu 100% aus Beton besteht. Es gibt auf dem Hügel viele Kinderspielplätze, eine rostige Achterbahn und andere Anlagen, wo wir Kinder wohl eher nicht hinlassen würden. Weiter gibt es Spielangebote, die uns doch etwas fremd sind. Im blauen aufblasbaren Planschbecken hat es lebendige kleine Fische. Kinder können diese mit einem Netz fischen und in einen kleinen Kessel geben. Man kann auch bunt bemalte kleine Schildkrötchen kaufen. Weisse Mäuse, kleine Katzen oder junge Hunde... es wird jede Art von "Spielzeug" angeboten. 


Bilder links: Treppen zum Erhaipark. Bilder rechts: Allerlei Spielzeug für Kinder. 

Wir buchten «eine Stunde Seerundfahrt» auf dem Erhaisee vor der Stadt. Diese war dann im Verhältnis zur Busfahrt sehr teuer. Pro Person bezahlten wir CNY 142 (etwa CHF 17 p/P.). Darin enthalten war auch eine Show. Eigentlich wollten wir die Show gar nicht besuchen und einfach die Region vom Schiff her bewundern. Da das Schiff jedoch eine Zusatzschlaufe fuhr, entschlossen wir uns, die Show doch zu schauen. Unsere Tickets waren nicht für den entsprechenden Auftritt gültig, doch, in Anbetracht, dass nicht so viele Menschen auf dem Boot waren, liess man uns ein. Ein durchschnittlicher Anlass mit einer Teedegustation. Wir hätten nichts verpasst, wenn wir die Show nicht besucht hätten.

 

Bild Mitte: Der weisse Fleck ist eine Kopie von Santorini. 

In der Neustadt Dali besuchten wir das lokalhistorische Museum. Ein originelles Museum, das aus einigen Häusern die wie Tempel aussehen, miteinander verbunden sind. Schöne Artefakte aus der Qing-Dynastie (221-206 BC), der Han Dynastie (206 BC bis 220 AD) und der Ming-Dynastie (1368 bis 1644) können hier bestaunt werden.

  

Damit legen wir eine weitere unvergessliche Zeit, die wir in der Provinz Yunnan erleben durften, in unserem Speicher der Erinnerungen ab. 



Auf bald bis zum nächsten Bericht aus der Provinz Sichuan.



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

82 - Ürümqi, Aksu & Kuqa, Provinz Xinjiang

83 - Kaxgar, Provinz Xinjiang

87 - Hainan II, von Sanya zum Wuzhishan